Digitale Kirche? – Möglichkeiten und Grenzen des Internets im kirchlichen Leben

Viele Kirchgemeinden haben in den letzten Monaten eine steile Lernkurve abgelegt, was die Möglichkeiten der digitalen Medien betrifft.

So schmerzhaft (für einige von uns) das Versammlungsverbot, so faszinierend ist doch dieses neue Phänomen in unserer Landeskirche, die bis jetzt nach dem Prinzip der territorialen Zuständigkeit verfasst ist. Und es stellt sich die Frage: Wie wollen wir mit den Möglichkeiten des Internets umgehen, wenn einmal wieder Normalität eingekehrt sein wird?

Der Life-Gottesdienst in Wetzikon, bei dem ich die Regie geführt habe.

Bevor ich auf diese Frage eingehe, möchte ich aber etwas festhalten: Es ist meine Überzeugung, dass die Erfahrung der letzten Monate uns zuerst die Grenzen der digitalen Medien aufzeigt. Die Gemeinschaft der Gläubigen — nicht nur im virtuellen Raum, sondern mit leiblicher Anwesenheit – ist unersetzbar für das Leben der Kirche. Das digitale kirchliche Leben ist nur eine Prothese. Und nur weil eine Prothese manchmal etwas sehr Gutes sein kann, ist die Amputation noch lange nichts Erstrebenswertes. Kirchliches Leben ohne Gebetstreffen mit Glaubensgeschwistern, ohne Gesang der Gemeinde, ohne Versammlung zum Wort und Abendmahl, ohne Gespräch von Angesicht zu Angesicht wäre ein amputiertes kirchliches Leben. Das kirchliche Leben will nicht verflüssigt werden in der Einsamkeit vor elektronischen Geräten, es will real werden in der Begegnung mit echten Menschen.

Wir haben hier neues Anschauungsmaterial zu einer tiefen theologischen Wahrheit: Die Kirche ist der Leib von Christus! Wahre Gemeinschaft – ja, Wahrheit an sich – ist, am Ende, leiblich. Gott wurde (leiblicher) Mensch, und Jesus kehrte bei den Menschen in ihre Häuser ein, aber auch der auferstandene Herr hat wieder einen Leib, die älteste Christenheit feierte den Gottesdienst als sogenanntes Liebesmahl, d.h. im sehr leiblichen gemeinsamen Essen und Trinken.

Unser Koordinatensystem sollte also von der wahren Gemeinschaft ausgehen, nicht von der digitalen Pseudogemeinschaft. Wenn das Koordinatensystem aber wieder stimmt, wenn wir die Grenzen des Internets nüchtern sehen, dann können und sollten wir es vielleicht weiterhin – und noch stärker – nutzen, so wie die Reformatoren die neue Erfindung der Druckerpresse dankbar nutzten.

Wir leben in einer Zeit, in der sich das kirchliche Leben an vielen Orten am Auflösen ist. Manche Gläubige kennen keine Kirche in ihrer Gegend, wo die evangelische Wahrheit klar verkündigt wird. Und immer mehr Menschen würde es einfach nicht in den Sinn kommen, in die Kirche zu gehen, nicht weil sie alle erklärte Atheisten sind, sondern weil sie bisher einfach den Zugang nicht gefunden haben. Klar, den Zugang zum Glauben schafft der Heilige Geist, aber Er benutzt dazu seine Menschen und ihre Medien. Die Kirche hat einen Auftrag der Evangelisation und der Seelsorge (wozu auch die Predigt gehört).

Vielleicht sollten wir uns fragen, wie wir mit dem Internet diese – wissend oder unwissend – in der Zerstreuung lebenden Menschen erreichen könnten. Dabei könnten einander nahestehende reformierte Kirchgemeinden und Personen zusammenarbeiten.

Ich würde vorschlagen, dass wir uns Gedanken machen über die längerfristige Verwendung von Podcasts (regelmässigen Audio-Programmen mit z.B. Gesprächen), Videos oder sogar einer App. Man könnte auf so einer App z.B. Predigten anhören.

Das Ziel aller Medienarbeit wäre natürlich, dass aus der Zerstreuung, wenn möglich, wieder wahre Gemeinschaft entstünde. Und dass wir alle ermutigt würden, um uns dankbar zu versammeln zum Gottesdienst und Abendmahl, und um den Glauben weiterzugeben an die nächste Generation.