Welt in der Krise, Christus in der Krise

Während ich diese Zeilen schreibe, schreiben wir den 15. Tag  des Überfalls der russischen Armee auf die Ukraine. Leider habe ich wenig Hoffnung, dass der Krieg bald vorbei sein wird. Menschen in der Stadt Mariupol werden beschossen, sie leben ohne Wasser, Strom und medizinische Versorgung. Und das ist nur ein Beispiel. Der ukrainischen Hauptstadt Kiew steht der totale Krieg und die totale Katastrophe wahrscheinlich noch bevor, wenn der russische Präsident Wladimir Putin nicht zur Besinnung kommt und sein Gewissen entdeckt.

Die Welt ist in einer Krise, zumindest in Europa. Die friedlichen Jahrzehnte waren wohl eher eine Art Ferien von der Geschichte, nicht das bereits ausgerufene Ende der Geschichte. Die Geschichte kehrt mit Gewalt zurück.

Die mutigen Ukrainer erinnern uns Schweizer daran, dass ein Gemeinwesen, das auf Menschenwürde, Recht und Demokratie aufgebaut ist, nicht gratis zu haben ist, sondern Opfer erforderte und vielleicht irgendwann auch wieder Opfer erfordern könnte.

Der christliche Glaube weiss davon, dass die Welt in einer Krise ist. Jesus Christus lebte ein gerechtes Leben, tat nur das Gute, wurde aber in einem ungerechten Prozess zum Tod verurteilt und auf sadistische Weise hingerichtet. Die Kreuzigung sollte eine unmenschliche Todesart darstellen, der Verurteilte sollte die Vergeltung möglichst lange und qualvoll spüren. Aber das war für Jesus noch nicht das schlimmste.

Kreuzigungszene mit Johannes dem Täufer auf dem Isenheimer Altar

Emil Brunner schreibt: «Er musste noch tiefer hinunter, dorthin, wohin ihm kein Mensch folgen kann. Was Jesus litt, als er den Schmerzensschrei austieß, ‹Eli, Eli, lema sabachthani›, das kann niemand von uns nachempfinden. Das Glaubensbekenntnis hat es nur angedeutet mit dem Wort ‹niedergefahren zur Hölle›. […] Nachdem sein Volk ihn verlassen, verliessen ihn auch seine Getreuen, seine Jünger und zuletzt verließ ihn auch noch Gott selbst.»

Wie soll uns das jetzt trösten, denken Sie vielleicht?

Gerade das ist das Evangelium, die gute Nachricht, dass Gott sich erbarmte über uns. Der König der Juden (INRI) musste leiden. Nur so konnte Gott uns Menschen erlösen von der Finsternis, von der Schuld: Er wird Mensch und kommt ganz hinein in unsere Finsternis und nimmt unsere Schuld auf sich. Unsere Befreiung von der Sünde und dem Bösen war nicht gratis zu haben. Das Opfer dafür war so gross, dass nur Gott selbst es bringen konnte.

Und deshalb haben wir den Trost: Der aus dem Tod auferstandene Jesus Christus ist allen nahe, die ihn anrufen, auch in Mariupol, auch in Kiew – ja, gerade dort. Wir hören, dass Menschen in der Ukraine zum Glauben an Jesus kommen. Weil Christus in die Finsternis hineingekommen ist, gibt es jetzt keine Finsternis mehr, die uns von Gott trennen könnte.