Pubs in Kirchgebäuden – Eindrücke aus Grossbritannien

In den Sommerferien waren wir als Familie in Grossbritannien. Wir machten einen Roadtrip durch England, Wales und Schottland. Dabei wählten wir immer die langsamsten und ländlichsten Routen und blieben den Autobahnen fern. So konnten wir mit unserem gemieteten Hightech-Elektroauto (unpraktisch für einen Roadtrip) langsam die Landschaften und kleinen Orte erkunden, die nicht nur von Schafen wimmeln, sondern an jeder Ecke gesättigt sind von alter Geschichte. Ich meinerseits sehe vorallem Kirchengeschichte.

Grossbritannien ist reich an Kirchgebäuden. In Wales gibt es in jedem Weiler eine Kapelle aus dem 19. Jahrhundert. Man wird überall erinnert an die Erweckung von Wales. Damals wurden bedeutende Teile der Bevölkerung von Jesus Christus ergriffen und geistlich neu belebt zu grosser Freude am Evangelium und grossem Ernst in der Nächstenliebe. Aber die äussere Hülle dieser Kirchgebäude sollte sich als langlebiger erweisen als die Gemeinden, die darin beteten. Die meisten dieser Stein-Kapellen sind seit Jahrzehnten verlassen, verwahrlost, oder wurden umgebaut zu Wohnhäusern. Der Geist ist gewichen.

Idyllische schottische Landschaft mit verlassener Kirche (Handyfoto von Lukas Zünd)

Ähnlich ist die Situation in Schottland. Die Stadt Aberdeen ist besonders interessant. Nirgendwo sieht man so viele Kirchen wie hier. Beim Schlendern durch die Strassen entdeckt man schnell, dass in kaum einem dieser Granit-Gebäude mehr öffentlich der Name Jesu angerufen wird. Neugotische Kirchen mitsamt Türmen sind umgebaut zu Museen, Pubs oder Nachtclubs. Was ist hier geschehen?

Der ortsansässige pensionierte Theologieprofessor Sinclair Ferguson ordnet ein: Jesus hat das Gebäude vorher schon verlassen, danach kam der äusserliche Verfall. In vielen schottischen Kirchen hat man seit der Zeit der «Aufklärung» den biblischen Jesus Christus und das Evangelium abgelehnt. Die Entchristlichung ist nicht einfach ein Naturprozess, sondern eine aktive Abkehr von dem dreieinigen Gott. Ich teile diese Sicht.

Die Kirche Schottlands ist eng verwandt mit der reformierten Kirche der Schweiz. Es gibt viele Parallelen. Deshalb bin ich überzeugt, dass auch wir uns hierzulande an den Anblick von Nachtclubs in Kirchgebäuden gewöhnen werden müssen. In vielen altehrwürdigen reformierten Kirchen findet heute schon nur noch einmal pro Monat ein Gottesdienst statt.

Aber es gibt Hoffnung. Die Kirche ist zuerst nicht ein Gebäude, sondern das sind die Gläubigen. Jesus baut diese Kirche, und sie lebt, weil er lebt. Wir waren an einem Sonntag in der «Trinity Church Aberdeen». Diese Gemeinde sammelte sich neu nach ihrem Auszug aus der «Church of Scotland» vor ein paar Jahren. Die Gottesdienste sind nüchtern reformiert. Aber die ehrfürchtigen Gebete, die bibeltreuen Predigten und die fröhlichen Stimmen der Gemeinde haben es in sich. Das alte Evangelium ist am Werk, verändert Menschen und gibt Hoffnung. Die Gemeinde trifft sich am Sonntag zwei Mal, morgens und abends, Alte und Junge und viele Studenten. Man hat das Gefühl einer Familie.

Dank grosszügigen Spenden konnte diese Gemeinde kürzlich eines jener einst so stolzen und jetzt verlassenen Kirchgebäude im Stadtzentrum kaufen. Jetzt muss es noch renoviert werden. Hoffentlich wird die Gemeinde ihr neues Haus bald beziehen können. Mitten im Zerfall der evangelischen Kirchen ist der Herr am Werk und baut etwas Neues.