Eine Stimme ist verstummt in Russland, eine Stimme, welche die kriminellen Eliten seines Landes entlarvte und anklagte wie kein anderer: Alexei Nawalny. Niemand hat so wie er die Hoffnung verkörpert auf ein neues Russland, das den Menschen in einem Rechtsstaat ihre Würde zurückgeben wird. Nun hat das Regime ihn erledigt. Wie auch immer der 47-jährige Nawalny gestorben ist am 16. Februar 2024, der Eindruck täuscht wohl nicht, dass es ein Mord auf Raten war.
Eigentlich hätte er schon längst tot sein müssen. Am 20. August 2020 war ein Giftanschlag auf ihn verübt worden, den er überlebt hatte dank den Ärzten in dem Berliner Spital Charité. Nachdem er aus dem Koma aufgewacht war, neu zu sprechen und gehen gelernt hatte, stieg er mit noch grösserer Entschiedenheit in seinen Kampf um Gerechtigkeit ein als je zuvor. Doch der erstaunlichste Teil der Geschichte kommt erst: Am 17. Januar 2021 kehrte er freiwillig nach Russland zurück – wohl wissend, was ihn erwartete. Noch am Flughafen wurde er verhaftet. Dann tauchte er ab in die berüchtigte «andere Welt» der russischen Straflager. Sein Tod nach drei Jahren Schikane war keine Überraschung.
Warum ist er nur nach Russland zurückgekehrt? Nicht aus Dummheit oder Leichtfertigkeit. In den Schauprozessen nach seiner Verhaftung bekannte er, dass er früher Atheist gewesen sei. «Aber jetzt bin ich ein gläubiger Mensch, und das hilft mir sehr bei dem, was ich tue. Es macht alles viel, viel einfacher. Ich grüble weniger, ich habe weniger Dilemmas in meinem Leben – denn es gibt da so ein Buch, das mehr oder weniger genau beschreibt, was man in welcher Situation zu tun hat. Es ist natürlich nicht immer einfach, sich daran zu halten, aber ich versuche es im Grossen und Ganzen. Und deshalb fällt es mir wohl leichter als vielen anderen, in Russland Politik zu machen.»
Seine späte Politik war motiviert vom Glauben an Gottes Politik, die ganz anderen Massstäben folgt. Er schöpfte Kraft aus der Bergpredigt: «Glückselig sind, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie sollen satt werden!» (Matthäus 5,6).
In Gottes Politik muss sein Tod keine Niederlage sein, sondern kann auch ein Sieg gewesen sein. Nawalny soll aus der Gefängniszelle heraus mitgeteilt haben, dass er nicht bereue, nach Russland zurückgekehrt zu sein, denn so habe er das Gebot Jesu nicht verraten.
Sein Tod entlarvte das Böse im politischen System Russland und seines Führers. Das Böse beruht immer auf Angst. Gerechtigkeit und Freiheit wird geschaffen durch Liebe und Selbsthingabe. «Grössere Liebe hat niemand als die, dass einer sein Leben lässt für seine Freunde», sagte Jesus (Johannes 15,13).
Wir erinnern uns in der Passionszeit: Auch Jesus ging nach Jerusalem hinauf, obwohl er wusste, dass er dort getötet wird. Sein Tod war aber nötig, «um so durch den Tod den zu entmachten, der die Macht hat über den Tod, nämlich den Teufel, und alle zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ein Leben lang in Knechtschaft gehalten waren» (Hebräer 2,14–15).
Wenn Nawalnys Stimme sich einreihte in den triumphierenden Chor derer, die auf Jesus Christus und seinen Sieg zeigen, dann ist sie also doch nicht verstummt. Sein Vorbild spricht weiter, ermutigt und weckt Sehnsucht, selbst in der Wahrheit zu leben. Ich hoffe auf die Publikation noch weiterer Zeugnisse des Glaubens von Alexei Anatoljewitsch Nawalny.